11. Juni 2012

Ungewollt gewollt

Es gibt da etwas, das mich schon ein bisschen länger beschäftigt. Eigentlich schon so lange wie ich schreibe und wie ich im Deutschunterricht Analysen schreiben muss, aber wirklich und ernsthaft darüber nachdenken muss ich erst, seitdem ich einen anderen Deutschlehrer habe, mit einer Meinung, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, weswegen ich nicht nur einmal mit ihm diskutiert habe.

Er glaubt nämlich daran, dass sämtliche Stilmittel, von Metaphern über Satzbau bis hin zur Wortwahl bei Beschreibungen, samt ihrer genauen Bedeutung in Texten gewollt sind, absichtlich genau so dahingeschrieben wurden und der Autor demnachzufolge ein Genie sein muss.

Jetzt ist die ziemlich berechtigte Frage, ob das wirklich stimmt. Ich glaube das nämlich nicht, und irgendwie muss ich es ja wissen, denn ich schreibe nun mal viel zu gerne - aber ich kann die Tatsache, dass man als Deutschlehrer irgendwie Ahnung von der Materie haben muss, auch schlecht links liegen lassen.
Was also tun?
Ich will den Kerl jetzt hiermit nicht bewegen, seine Meinung zu ändern - erstens wird er diesen Post wohl eher nicht lesen, und zweitens können Schüler auch schlecht Analysieren lernen, wenn ihnen unterschwellig vermittelt wird, dass wir eigentlich gar keine Ahnung haben, ob das, was wir da interpretieren auch korrekt ist -, aber ich will das einfach mal niederschreiben und gucken was passiert.

Bisher habe ich eigentlich gedacht, dass ich nur die Seiten kenne, die eher für die Zufälligkeit solcher Stilmittel sprechen. Ich mache mir seltenst genau Gedanken über den Aufbau eines Kapitels und die meisten Bücher plotte ich auch eher in Abschnitten, die ich dann sortiere - und zwar so, wie es logisch am besten passt, so, dass der Spannungsbogen erhalten bleibt und nicht in sich zusammenkracht. Da achte ich schon drauf, auf mehr aber nicht.
Ich halte mich auch nicht an Formulierungen auf, ich schreibe glatt dahin. Gut, das ist im NaNo auch schwierig, noch auf Formulierungen zu achten, denn die Zeit ist einfach nicht da. Auf den NaNo komm ich aber gleich nochmal zurück.
Ich denke nicht darüber nach, was ich da eigentlich genau aufs (zugegeben virtuelle) Papier setze, wenn ich charakterisiere - sowas passiert auch intuitiv -, wenn sich meine Charakter streiten, wenn sie nachdenken, wenn sie beschreiben. Nur bei Letzterem muss ich aufpassen, denn wirkliches Beschreiben habe ich erst letzten NaNo gelernt. Zufällig oder nicht, das kann ich nicht sagen.
Der NaNo ist eben so eine Sache und er spaltet die Schreiberlingsgemeinschaft gewissermaßen: In die, die mitmachen und die, die es nicht tun natürlich, aber  darauf will ich nicht hinaus. Er spaltet sie eben auch in die Planer und die... na ja, die eben keine Planer sind, sondern sich mit einer groben Idee vor dem PC hocken und dann mal schauen, was daraus wird.
Ich gehöre nun nicht wirklich zu so spontanen Leuten, kenne aber mittlerweile genug davon und manche haben ihre Bücher fertig und sie lesen sich toll.
Ich kann nicht in deren Köpfe schauen, aber ich vermute einfach mal, dass man sich keine tiefgründige Struktur eines Buches überlegen kann, wenn man im Vorfeld gar nicht weiß, was am Ende dabei rauskommt. Wenn man seinen Plot stehen hat, dann weicht man eigentlich nicht mehr davon ab, denke ich.

Das bedeutet also, dass sowohl die "kleinen" Dinge, also Metaphern, etc. als auch die "großen", wie Kapitelunterteilung, Perspektiven, auch die ganze Struktur eines Buches, eher intuitiv entstehen, mit wenig Hintergedanken, in wiefern sie eine Geschichte unterstützen oder in eine bestimmte Richtung lenken, sondern einfach nur aus dem Grund, weil sie so passen. Weil sie sich so schön anhören, weil es so harmonisch ist.
Und ich für meinen Teil finde, dass es mehr eigentlich auch gar nicht braucht. Denn die, wie heißt es so schön, Unterhaltungsliteratur ist, man glaubt es kaum, zum Unterhalten da. Den meisten Lesern reicht eine gut erzählte, nachvollziehbare Geschichte plus ein paar Komponenten, die aber vom persönlichen Geschmack abhängen.
Wo jetzt Unterhaltungsliteratur anfängt und wo sie aufhört, kann ich nicht sagen. Das ist für jeden verschieden, auch wenn es bestimmt irgendwo ein Raster  dafür gibt.
In dem Raster steht aber nicht drin, dass mich meine Bücher über Psychologie ebenso gut unterhalten können wie der Herr der Ringe, der für manche Leute wiederum in etwa so verständlich ist, wie für Fünfjährige mein Mathebuch.

Na ja, die eine Seite der Medaille. Jetzt ist die andere dran.

Ich habe nämlich auch - zugegeben mit Erschrecken - festgestellt, dass gerade in den Engel ziemlich viele Sachen zumindest nach außen strategisch sehr geplant aussehen und dass es Dinge gibt, über die man sich tatsächlich in Analysen auslassen könnte - und wahrscheinlich sogar zu einem Ergebnis käme, mit dem ich übereinstimmen würde.
Das habe ich nicht geplant gemacht, das kam so, aber im Nachhinein...
Lasst mich aber von vorne anfangen.
Es begann damit, dass ich festgestellt habe, dass Luzifers Hintergrund viel zu ausführlich ist, als dass ich ihn in drei Sätze packen könnte (Mal davon abgesehen, dass ich eh Angst hatte, dass das leicht so wirkt, als wollte ich noch ganz schnell eine Lösung anbieten, die mir mal eben über den Weg gelaufen ist - was zwar so gewesen ist, aber gut...), aber so wichtig für letztendlich alle seine Beweggründe, dass er reinmuss.
Im Endeffekt ist noch eine vierte Perspektive ins Buch gerutscht, die vielleicht vier, fünfmal auftaucht, aber eben alles erklärt.
Und ich hab mehr Meta drin! Yay!

Okay, zurück von den Eskapaden, lasst mich wieder zur Sache kommen.
Bei nur fünf Handlungsabschnitten innerhalb von... 60? stellt sich natürlich die Frage, wo man das Zeug am besten platziert, damit es nicht zu geballt hintereinander kommt und auch nicht völlig unpassend. Okay, bei dem Zeug, das da erzählt wird, kommt es in jedem Fall unpassend, es sei denn, ich biege es so, als wäre es die Gegenwart, aber selbst dann...
Ich KANN einfach nicht beim Thema bleiben!
Jedenfalls habe ich das so ausdiskutiert, dass die Kapitel wahrscheinlich immer dann auftauchen werden, wenn - und jetzt kommt das entscheidende - Dorian etwas zustößt, was ihn charakterlich verändert. Das fängt damit an, dass Chris ihm das Leben rettet (Die Flügelgeschichte, hier irgendwo garantiert nachzulesen), woraufhin die Beiden ein bisschen Ruhe kriegen und Dorian die fixe Idee in den Kopf bekommt, dass er Mensch sein will.
Sowas zum Beispiel. Oder auch Chris' Tod, wo er dazu bewegt wird, aufzugeben, weil er glaubt, dass er sowieso nicht gegen Luzifer gewinnen kann. Letztendlich auch der Wahnsinn zum Schluss.
 Das bedeutet - rein vom Storyaufbau her - dass wenn Dori sich verändert, dass Luzi sich dann entsprechend auch ändert. Nur dass er da nicht Luzi hieß.
Nun gut, das war Absicht, aber ich habe mir mehr Gedanken gemacht und das ergebnis war...
Interessant, möchte ich sagen.
Bei genauerer Betrachtung sind sich die beiden Pärchen Metatron/Sandalphon (Tut mir den Gefallen und kommt nicht auf falsche Gedanken...) und Chris/Dorian nämlich gar nicht mal so unähnlich. Wir hätten jeweils einen, der sich mehr oder weniger alles gefallen lässt, was man mit ihm anstellt (Meta und Dori) und einen, dem diese Art zum einen nicht gefällt und der deswegen zum anderen dagegen ankämpft, obwohl er weiß, dass das irgendwo nichts bringt (Sandalphon und Chris). Beide Male sind die Beweggründe, den jeweils anderen "schützen" zu wollen, nur funktioniert das nicht.
Interessant? Interessant.
Nun, so etwas würden wir wahrscheinlich auch im Deutschunterricht ansprechen, würde es da um mein nicht einmal geschriebenes Buch gehen, aber was wir da hineininterpretieren... Keine Ahnung.
 Aufgrund von solchen Sachen kann ich es aber durchaus verstehen, dass manch einer durchaus denkt, dass das vollkommen gewollt ist und dass ich vielleicht sogar etwas damit sagen will.
Will ich immer noch nicht, aber je länger ich darüber nachdenke, desto eher komme ich zu dem Ergebnis, dass es so scheint als ob.

Desweiteren kann ich auch nicht ignorieren, dass es durchaus nicht nur Phasen in der Literatur - und gerade in der Lyrik - gegeben hat, in der das komplette Gedicht von der ersten bis zur letzten Silbe geplant war, mit jedem Wort, jeder Betonung, jedem Reim, jedem alles eben. Das ist nicht wegzureden und das versuche ich auch gar nicht.
Bei solchen Gedichten ist es wahrscheinlich auch sinnvoll, wenn man eine Analyse drüber schreibt, auch wenn ich das garantiert nicht gerne mache, und sie ins kleinste Detail zerpflückt und wenn man sie dann nochmal liest und versteht.

Nur sollte man die Meinung eines perfekt geplanten Textes, wo jede Silbe Sinn und Daseinsberechtigung hat, nicht wahllos auf alles übertragen. Mittlerweile ist die Lyrik zumindest in meinem Umfeld sehr spontan geworden und nicht geplant, und ihren kompletten Sinn erkennt man problemlos auch beim zweiten Lesen. Das bedeutet aber nicht, dass sie deswegen weniger Tiefgang haben - die Autoren zeigen das einfach anders, auf eine simplere Art und Weise.
Und genau so ist es bei Büchern. Da gibt es die, bei denen man die Geschichte erst versteht, wenn man jeden Satz auseinandergebaut und falsch wieder zusammengesetzt hat und den neuen Satz dann noch auseinandergenommen hat - aber mittlerweile gibt es doch die am meisten, die einfach nur erzählen und das verflucht nochmal nicht weniger gut.
Ich werde mit dieser Meinung meinem Deutschlehrer wohl immer noch vor den Kopf stoßen, aber ändern werde ich sie garantiert nicht. Ich verstehe nur zumindest ansatzweise die andere Seite, so viel ist sicher.
Also nochmal in kurzer Kurzform - meine Meinung zu diesem Thema:
Wenn du Hufegetrappel hörst, denk an Pferde, nicht an Zebras!

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